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Ohne Worte alles sagen? Ein verführerisches Zwiegespräch mit Blumen und Pflanzen ist ersprießlich für den Geist, die Seele und den Körper. Lauschen Sie. Von Antje Mayer.

Sprich mit mir!

Es „durch die Blume sagen“, gehört zu den ältesten Ritualen zwischenmenschlicher Kommunikation. Wer die Sprache der Pflanzenfarben und -formen beherrscht, verfügt über ein unermessliches Repertoire wortloser Botschaften.

Farbe: Dialog für den Geist

„Artischocken, Artischocken – Greifen Sie zu. Sie erhitzen Leib und Seele.“ Mit solchen frivolen Werbesprüchen versuchen die Marktverkäufer in der Provence ihr Geschäft anzukurbeln. Nicht, dass diese Pflanze medizinisch eine derart aufreizende Wirkung hätte. Mit der Sinnlichkeit des grünen Früchtchens appellieren die geschäftstüchtigen Franzosen vielmehr an die Libido ihrer Kunden. Die Artischocke ist für sie schwelgerisches Sinnbild erotischer Verführung und sinnlichen Genießens. Um an das zarte innere Fruchtfleisch zu gelangen, muss das Gemüse nämlich langsam, Stück für Stück mit den Fingern entblättert werden. Dann gilt es, die Einzelteile bacchantisch auszulutschen.

Zart, verliebt, heftig, verwegen, heimlich, nie direkt, Blumen und Pflanzen können es auf viele Arten sagen. Nur was? Und wie genau? Beherrschen Sie den Dialog mit der Flora? Die Pflanzenwelt ist seit Menschengedenken in allen Weltkulturen Zeichen und Ausdruck für etwas. Nicht nur den Pflanzen und Blumen werden Bedeutungen wie Liebe, Zuneigung und Trauer zugeteilt, auch Blütenfarben plaudern ohne Worte (siehe Tipp). Archäologische Befunde belegen, dass schon die Neandertaler ihre Toten mit Blumen ins Jenseits schickten. Im alten Ägypten hielten die Priester dem König bei Audienzen unverblümt einen Blumenstrauß unter die majestätische Nase. Als Zeichen der Verehrung.
Selbst in Zeiten des Internets hat die Blume als Geste der Wertschätzung überlebt, wenn auch verdorrt, sprich aufgepixelt im Jpeg-Format. Dennoch: Die Mehrheit stottert bestenfalls noch radebrechend in der Blumensprache, allenfalls der Syntax der Rose ist ihr noch geläufig, zeitloses Zeichen der Liebe, Versuchung und Leidenschaft. Eva durfte sich, so ist’s überliefert, vor ihrem Rausschmiss aus dem Paradies eine Blume aussuchen. Sie wählte die Rose. Und die war rot, da das schamhafte Ding, angesichts der sündigen Verführung, errötet war. Seitdem steht sie -nicht zuletzt wegen ihrer Dornen, liebe Leserinnen!- für das Weibliche und für die geheime Botschaft „entre nous“. Nicht nur das Geflüster zweier Liebenden ist damit gemeint, auch ernste Aussprachen anderer Art: An alten Beichtstühlen sind darum häufig stilisierte Rosenmuster eingeschnitzt.

Duft: Das Tor zur Seele

Lustlos, müde oder schlecht gelaunt? Ätherische Öle aus Kräutern und Blumen sind das direkteste Zwiegespräch mit der Psyche. Schon winzige Duftbrisen beleben, entspannen oder beruhigen.

„Mit den Füßen auf der Erde und dem Kopf in den Sternen. Ein kreatives Hirn braucht Duft“, ist Ewald Aschauers Devise, österreichischer Duftexperte, Gründer und Inhaber von derweil vier „Duft & Kultur“ - Filialen in Wien, Vöcklabruck, Gmunden und Linz. Pflanzen- Blumendüfte gehören zu den ältesten Verführungsmethoden der Welt, sie können heilen, das Gebet und die Meditation unterstützen oder entspannen. Auf seinen zahlreichen Reisen durch Marokko entdeckt Ewald Aschauer immer wieder neue Dialektvarianten der Düfte. In den Suks reinigen die Frauen heute noch, wie seit Jahrhunderten, die Räume mit Rosenwasser, die Männer räuchern Sandelholz und trinken dazu Minzetee, eine nachweislich erotisierende Mischung. „Dieser Mix ist für mich ein fliegender Teppich für die Seele“, lacht der Lebemann. In fast jedem Dorf gebe es, erzählt der Duftexperte, das sogenannte Haus des Philosophen. Im Hof stehe fast immer ein Olivenbaum, der würde nicht nur die Insekten abhalten, sondern der gelte auch seit jeher als Baum der Denker, weiß Aschauer zu berichten. Sein Duft ist „erdend“ und für den Geist klärend. Die Blätter des biblischen Gewächses gelten außerdem als Parfum der armen Leute. Die zerreiben diese in den Händen, um sich an dem köstlichen Geruch zu laben.
Jeder Duft gelangt über die Nase direkt ins limbische System und stimuliert in Sekundenschnelle das vegetative Nervensystem. Während die Damen in der Antike verschwenderisch mit Rosen- und Orangendüften verführten, sparten sich unsere Großmütter ihre meist puderigen, süß-blumigen Duftbotschaften via Blumenbukett, Potpourrischale oder Duftwässerchen allein für besondere Anlässe auf. Heute setzt man das Duft-Doping wieder im Alltag ein. Viele Kaufhäuser etwa werden mit Vanille aromatisiert, da das die Stimmung und damit die Kauflust hebt. Sich selbst powert man vornehmlich mit coolen, spritzigen und herben Pflanzen- und Blumenmischungen. Ein schräges Wässerchen für den Mann ist etwa das Parfum „Grain d’Plaisir“. Eine Selleriebasis wurde dabei mit Tomatenblättern und Basilikum abgeschmeckt. Das Sugokraut Basilikum gilt nachweislich als prophylaktisches Antidepressivum, aber ob ein derart kulinarisch orientierter Duftmix der Damenwelt tatsächlich Hunger macht?
Manche übertrieben es freilich auch mit ihren Duftbotschaften: Bei der Beerdigung von Herodes sollen sage und schreibe 5.000 Sklaven ihre Fürbitten „per fumum“ in den Himmel gesandt haben. Von Duft zum Gestank ist oft ein kleiner Atemzug.

Essen: Balsam für den Körper

Dass der menschliche Körper auf die Sprache der Blumen und Pflanzen reagiert, wissen wir seit jeher. Ein Wortwechsel zwischen Wissenschaft und Aberglaube

„Auch die besessensten Vegetarier beißen nicht gerne ins Gras“, hat Joachim Ringelnatz einmal gesagt. Aber in die Blume. Im Orient gehörte die Kunst, mit duftenden und farbensprühenden Blumenkelchen und -kronen betörende Gerichte zu zaubern, seit jeher zu den selbstverständlichen Fähigkeiten der Köche. Blumen im Essen bereiten nicht nur den Augen Freude, sie verstärken auch subtil die Kräuterwürze und wirken antidepressiv und erotisierend. Liebe geht eben durch den Magen.
In arabischen Lebensmittelgeschäften etwa kann man sogenannte persische Walnussplätzchen kaufen, die mit Rosenwasser zubereitet sind und der sündigen Süßigkeit eine unbeschreiblich feine Note schenken. Immer mehr Gourmetköche sagen es auch hierzulande kulinarisch durch die einheimische Blume. Sie verfeinern ihre Gerichte mit Blumenkresse, Veilchen oder Gänseblümchen. Behutsam über den frischen Salat oder über das Lammfleisch gestreut, sorgen sie für Frühlingsgefühle. Veilchen waren bei den Römern ein beliebtes Mittel gegen einen veritablen Kater nach einem Saufgelage. Kaum ein Kräuterchen soll soviel Vitamin C erhalten, wie das Duftveilchen. Wem das Kochen mit Gänseblümchen nicht so recht begeistern mag, der höre zumindest auf ihren bekanntermaßen eindeutigen, wie lebensverändernden Rat. Sie wissen schon: „Er liebt mich, er liebt mich nicht...“

Dass die Einnahme von Pflanzen eine Wirkung auf den Organismus und die Psyche haben, ist spätestens seit Hildegard von Bingen, den Dominikaner Albertus Magnus oder Sebastian Kneipp belegt. Bachblütentherapeuten sind der festen Überzeugung, dass Blüten psychische Leiden kurieren können. 38 verschiedene Blüten ordnen sie 38 Seelenzuständen zu. Medizinisch ist diese These freilich umstritten. Nach dem deutschen Arzneibuch gibt es immerhin 1.200 nachweisliche Heilpflanzen. Im Mittelalter pflückten sie die Frauen direkt aus der Natur oder ihrem Garten, aus der „Apotheke Gottes“. Weil deren Anwendung aber oft misslang oder dem Patienten einen psychedelischen Trip bescherte, landeten viele dieser Pionier-Medizinerinnen als Hexen auf den Scheiterhaufen. Nicht zuletzt, weil auch sie dem Aberglauben oft erlagen. Man vermutete damals, dass Pflanzen Zeichen trügen, die dem Menschen kundtäten, gegen welche Krankheit sie eingesetzt würden und versuchte sein Leiden auf Pflanzen, meist Büsche und Sträucher, zu übertragen. Aber macht es heute ein, von der Liebe „kranker“ Blumen Schenkender, anders?

Tipps: „Es“ durch die Blume sagen, duften, kochen

Nicht nur den Pflanzen und Blumen werden Bedeutungen zugeteilt, etwa der Brennnessel, die für Eifersucht steht, der Akazie, die von platonischer Liebe erzählt, der Lilie, die Glauben predigt oder dem Majoran, der von Lüge und Täuschung petzt, auch Blütenfarben sprechen ohne Worte. Wer etwa dem guten Freund seine tiefe Zuneigung ausdrücken will, der blamiere sich nicht mit roten Blumen, sondern greife zum Gelb, Zeichen für Wärme oder zum Violet, Farbe der „durch Weisheit veredelten Liebe“ und der innigen Nähe. Seinem Chef bringt man am besten blaue Blumen mit. Loyalität zu zeigen, kommt immer an. Und Vorsicht bei Weiß. Der Blumen-Knigge warnt: Die Farbe der Unschuld ist auch die des Todes. Nur Blumen-Analphabeten bringen weiße, stark duftende Blumen ans Krankenbett.

Seele

Ausschließlich auf Basis natürlicher Pflanzen- und Blumenextrakte sollten die Parfums, Duftöle und Kosmetikprodukte sein, die einem beim olifaktorischen Schwätzchen und Verführen helfen. Die meisten Parfümerien und Drogerieketten bieten ausschließlich billige synthetische Duftwässerchen an. Eine Oase exotischer, reiner und ausgefallenster Duftkreationen, sind die „Duft und Kultur“ - Läden von Ewald Aschauer, wo man fachmännisch beraten wird. Auf Wunsch werden auch eigene Mischungen zubereitet. Pure Düfte, auf Basis natürlicher Blumenessenzen, gibt es außerdem in Bioläden. Melisse, Lavendel oder Mohn etwa, sind ideal nach einem stressigen Tag. Bei depressiven Verstimmungen helfen Gewürznelken und Muskatnuss. Duft & Kultur, 1. Wien, Tuchlauben 17, Tel 01/532 39 60

Körper

Neben Gänseblümchen und Veilchen, sind auch Zichorien, Ringelblumen oder Chrysanthemen lecker. Aber Vorsicht! Der ambitionierte Blumenkulinariker sollte nur Ungespritztes aus dem eigenen Garten verwenden. Am besten wird morgens, nachdem der Tau getrocknet ist, geerntet. Wenn die Blumen noch nicht in der prallen Sonne stehen, sind die Aromastoffe der Blüten am intensivsten. Staubblätter und grüne Teile haben freilich nichts auf dem Teller verloren. Auch Maiglöckchen, Goldregen und Herbstzeitlose sind tabu. Sie sind giftig.



erschienen in Garten Nr.01/02,S.27ff